Auf einer Reise durch die Hügel und Ebenen des Mittelmeerraums trifft man sie auf Schritt und Tritt: knorrige, silbrig glänzende Olivenbäume, die als stille Wächter die Landschaft bestimmen. In ihrem Schatten atmet man den Duft von sonnenwarmen Blättern und reifen Früchten – ein Duft, der fast untrennbar mit dem fruchtigen Aroma des Olivenöls verbunden ist.
Seit Jahrtausenden begleitet das „flüssige Gold“ das Leben der Menschen: als Lebensmittel, Heilmittel, Symbol und Kulturgut. Bereits in der Antike war Olivenöl weit mehr als nur Fettstoff – es war Teil von Ritualen, Körperpflege und politischer Macht. Kein anderes Öl blickt auf eine so reiche kulturelle Geschichte zurück.
- Heimat der Olivenbäume
- Was verbindet den Olivenbaum mit der Göttin Athene?
- Der Olivenzweig als Zeichen des Sieges und der Ehre
- Und nach dem Wettkampf: Olivenöl für Körperpflege und Regeneration
- Olivenöl in der Heilkunde – eine Reise durch die Geschichte
Heimat der Olivenbäume

Der Olivenbaum (Olea europaea) ist seit Jahrtausenden im Mittelmeerraum beheimatet. Einige der ältesten bekannten Exemplare sind über 2.000 Jahre alt und wurden bereits in der Antike kultiviert. Schon die Griechen und Römer schätzten den Baum – nicht nur wegen seiner nährstoffreichen Früchte, sondern vor allem wegen des wertvollen Öls, das sie daraus gewannen.
Bis heute ist der Olivenbaum ein Symbol der mediterranen Kultur, fest verwoben mit Lebensweise, Küche und Geschichte der Region. Gleichzeitig ist er ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für viele Länder Südeuropas.
Im Mittelmeerraum findet der Ölbaum ideale Wachstumsbedingungen: Er benötigt viel Sonne, ausreichend Niederschlag im Herbst und ein gemäßigtes Klima. Große Temperaturschwankungen und Frost verträgt er hingegen nur schlecht – daher gedeiht er bevorzugt in warmen, windgeschützten Lagen.
Typisch für den Olivenbaum ist seine knorrige, oft bizarr gedrehte Form, die mit zunehmendem Alter noch markanter wird. Er wächst langsam, erreicht aber eine Höhe von 6 bis 10 Metern, in Ausnahmefällen auch mehr. Besonders bemerkenswert ist sein Wurzelsystem: Der Olivenbaum bildet tiefe, weit verzweigte Wurzeln, mit denen er auch in trockenen Sommermonaten an Wasser gelangt. Anders als viele heimische Bäume ist der Olivenbaum immergrün – das heißt, er wirft im Winter seine Blätter nicht ab. Seine kleinen, schmalen, silbrig-grünen Blätter sind ledrig und mit einer feinen Schutzschicht überzogen, die Wasserverdunstung reduziert – eine weitere raffinierte Anpassung an heiße, trockene Standorte.
Was verbindet den Olivenbaum mit der Göttin Athene?
Der Olivenbaum ist nicht nur ein landwirtschaftlich wertvoller Baum – er spielt auch in der griechischen Mythologie eine zentrale Rolle. Besonders eng ist er mit der Göttin Athene verbunden, der Namensgeberin der Stadt Athen.
Einer alten Legende zufolge stritten sich Poseidon, der Gott des Meeres, und Athene, die Göttin der Weisheit, um die Schirmherrschaft über eine neue Stadt in Attika. Um den Streit zu entscheiden, forderten die Götter zu einem Wettstreit auf: Wer der Stadt das nützlichere Geschenk machen könne, solle als Schutzgott oder -göttin auserwählt werden. Poseidon schenkte einen Brunnen, doch das Wasser war salzig und damit für Mensch und Landwirtschaft kaum brauchbar. Athene hingegen pflanzte einen Olivenbaum. Ihr Geschenk schenkte den Menschen nicht nur Früchte und Öl, sondern auch Holz. Die Bürger wählten Athene zur Siegerin des Wettstreits, und zur Schutzgöttin ihrer Stadt, die fortan ihren Namen tragen sollte: Athen.
Der Olivenzweig als Zeichen des Sieges und der Ehre

Seit der Antike ist der Olivenzweig ein Symbol für Sieg, Frieden und Ehre. Schon in den frühen Hochkulturen des Mittelmeerraums schmückten Zweige des Ölbaumes die Häupter von Helden, Herrschern und Athleten – sowohl als Friedenszeichen nach Kriegen als auch als Auszeichnung bei sportlichen Wettkämpfen.
Besondere Bedeutung hatte der Olivenkranz – auf Griechisch Kotinos genannt – bei den antiken Olympischen Spielen. Während moderne Sportveranstaltungen Medaillen verleihen, war es in der Antike der schlichte, aber hochsymbolische Zweig des heiligen Ölbaums, der den Sieger ehrte.
Bis heute hat der Olivenzweig als Symbol des Friedens und der Verständigung überlebt – etwa im Logo der Vereinten Nationen oder auf vielen Staatswappen. Seine Wurzeln liegen jedoch tief in der griechischen Antike, wo sportliche Leistung, Ehre und Natur noch untrennbar verbunden waren.
Und nach dem Wettkampf: Olivenöl für Körperpflege und Regeneration
Nach dem sportlichen Wettkampf kam für die Athleten der Antike die Pflege – und auch dabei spielte das Olivenöl eine zentrale Rolle. Die Sportler ruben ihren gesamten Körper mit Öl ein, um die Haut zu schützen, zu pflegen und zu reinigen. Der Schweiß, vermischt mit Staub und Sand, blieb am Öl haften und wurde anschließend mit einem Strigil – einem gebogenen Schabeisen aus Metall – vom Körper abgeschabt.

Diese Prozedur war weit mehr als bloße Reinigung: Sie diente der Regeneration, der Körperpflege und galt zugleich als Zeichen der Wertschätzung für den eigenen Körper. Schon damals wusste man um die hautpflegenden Eigenschaften des Olivenöls – es machte die Haut weich, geschmeidig und schützte vor Austrocknung durch Sonne, Wind und Staub.
Olivenöl in der Heilkunde – eine Reise durch die Geschichte
Schon in der ersten naturwissenschaftlichen Enzyklopädie der Antike – der Naturalis Historia (79 n. Chr.) des römischen Gelehrten Plinius dem Älteren – findet Olivenöl Erwähnung. Plinius empfahl Wein zur innerlichen und Olivenöl zur äußerlichen Anwendung. Auch in der Bibel gibt es zahlreiche Hinweise auf die Verwendung von Öl zu pflegenden und kultischen Zwecken. Olivenöl diente unter anderem als Grundlage für Salben und Pasten.
Im Mittelalter nutzte auch Hildegard von Bingen (1098–1179) verschiedene Bestandteile des Ölbaumes zu heilkundlichen Zwecken. Neben dem Öl selbst verarbeitete sie auch Blätter, Rinde und Holz. So setzte sie einen Rindentee bei Gicht ein, während sie einen Aufguss aus Blättern bei Magenbeschwerden empfahl. Das Olivenöl verwendete sie nur zur äußerlichen Anwendung.
Viele Grüße aus Memmingen
Rita Hein

